Interview mit Martine Bellion, Fachpsychologin für Neuropsychologie FSP und Gerontopsychologin SFGP. Die gebürtige Luxemburgerin klärt in der Klinik Bethesda in Tschugg Parkinsonbetroffene neuropsychologisch ab. Die Ergebnisse ermöglichen Massnahmen für eine bessere Lebensqualität.
Was kann man sich unter Neuropsychologie vorstellen?
Die Neuropsychologie ist eine Spezialdisziplin der Psychologie. Sie befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen Gehirn, Erleben, Denken und Verhalten. Die Arbeitsbereiche umfassen die Diagnostik und Therapie der kognitiven Funktionen, z. B. Konzentration und Gedächtnis.
Welches Ziel verfolgt die Neuropsychologie bei Parkinsonbetroffenen?
Es sollen kognitive Einschränkungen und Stärken bei Betroffenen festgestellt werden. Die Ergebnisse sind wichtig bei Verdacht auf Demenz, bei der Beurteilung der Fahreignung oder bei unklarer Diagnose, wie Verdacht auf atypisches Parkinsonsyndrom. Zudem können anhand des kognitiven Leistungsprofils therapeutische Massnahmen eingeleitet werden. Diese reichen vom Training der betroffenen Funktion bei leichten Störungen bis zum Coaching der Angehörigen im Umgang mit schweren Einschränkungen.
Was geschieht bei einer Abklärung?
In der Regel handelt es sich um eine mehrstündige Untersuchung mit Befragung des Betroffenen und eines Angehörigen, Testung der kognitiven Bereiche und einem Befundgespräch. Je nach Fragestellung sowie Belastbarkeit und kognitiver Fitness des Patienten kann die Dauer der Abklärung variieren.
Wie testet man die Kognition?
Anhand verschiedener Aufgaben wird die Funktionsfähigkeit des jeweiligen Bereichs geprüft und mit Normwertenverglichen. Dies ermöglicht eine Aussage über eine allfällige Abweichung der Leistung im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Personen.
Was ist bei der neuropsychologischen Abklärung von Parkinsonbetroffenen speziell zu berücksichtigen?
Parkinsonbetroffene ermüden schneller und sind verlangsamt. Deshalb ist es wichtig, genügend Zeit und Pausen einzuplanen. Die Untersuchung kann zudem als Stresssituation empfunden werden, was die motorischen Symptome wie Tremor oder Dyskinesien verstärken kann. Auch psychische Aspekte – z. B. Depression oder Angst – werden berücksichtigt, da sie die kognitiven Funktionen negativ beeinflussen.
Was sind Ihre Tipps für Betroffene?
Den Mut haben, bei beobachteten Veränderungen im Alltag – z. B. zunehmende Vergesslichkeit oder Konzentrationsprobleme – den Neurologen darauf anzusprechen und eine neuropsychologische Abklärung zu machen.
Welche Vorteile bringt diese Abklärung den Parkinsonbetroffenen?
Die Gewissheit über kognitive Stärken und Schwächen erlaubt es dem Betroffenen, seinen Alltag anzupassen, eine Überforderung zu verhindern und durch Massnahmen seine Lebensqualität zu erhöhen.
Mit Martine Bellion sprach Dr. phil. Eva Robmann. Publikation: Magazin Parkinson 124.
Umfassende Informationen zur Parkinsonkrankheit, zu Diagnose, Symptomatik und Therapie sowie zur Alltagsbewältigung
A5, 164 Seiten, 2014
Herausgeber: Parkinson Schweiz
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