Wie gehen Menschen mit der Diagnose Parkinson um? Die Reaktionen von Betroffenen können sehr unterschiedlich sein, da jede und jeder eine individuelle Krankheitsgeschichte, unterschiedliche Persönlichkeit, Lebensumstände und Unterstützungsmöglichkeiten hat.
Alle Betroffenen müssen ihren eigenen Weg mit der Krankheit finden. Unterstützung von Angehörigen, Freunden, medizinischem Fachpersonal und anderen Betroffenen können dabei helfen, den Umgang mit der Diagnose und den damit verbundenen Herausforderungen zu erleichtern.
Auf dieser Seite haben Betroffene und Angehörige die Möglichkeit, ihre Gedanken zu teilen.
Polizeischutz am Bankomaten
A. ist im Rollstuhl und möchte Geld vom Bankomaten beziehen. Sein Betreuer fährt ihn hin und sucht einen Parkplatz. Derweilen möchte A. das Geld abheben. Beim Bankomaten angekommen sucht A. seine Kreditkarte. Als er sie in den dafür vorgesehenen Schlitz schieben will, fällt sie ihm auf den Boden. Während er sich bückt, um sie aufzuheben, fällt er aus dem Rollstuhl.
Die Szene wird von Passanten beobachtet. Aus Hilflosigkeit benachrichtigen sie die Polizei. Kurz darauf fährt diese mit Blaulicht ein. Was er denn hier mache, fragen sie A. Er erzählt seine Geschichte. Die Polizisten helfen ihm, das Geld abzuheben, bringen ihn zum Auto und begleiten ihn nach Hause.
Dies ist das erste Mal, dass A. mit Polizeischutz nach Hause gefahren wird!
Juni 2024
Dir hab ich’s gesagt…
Ich hatte eine Sitzung in Bern und will den Zug nach Zürich nehmen. Ich bin müde und habe Gangstörungen, das heisst, ich laufe kleinschrittig und vorne über gebeugt. Ich laufe unter einer Arkade. Vorne sehe ich ein Restaurant, das Stehtische draussen in die Arkade gestellt hat. Um einen der Stehtische hat sich eine Gruppe Männer gestellt, sie scheinen schon leicht angesäuselt zu sein. Als ich auf ihre Höhe komme löst sich einer aus dieser Gruppe, gesellt sich neben mich, läuft mit mir, mich imitierend. Ich schaue ihn an, bleibe stehen, drehe mich zu ihm und sage ihm ruhig, aber bestimmt: ‚Du, hör mir mal gut zu! Ich sage Dir mal was. Ich habe im Fall Parkinson‘. Er hört das und bleibt verdattert stehen, entschuldigt sich und betont überflüssigerweise, das hätte er doch nicht gewusst…. Ich laufe weiter und kümmere mich nicht weiter um ihn und bin sehr zufrieden mit meiner Reaktion.
Mai 2024
Den Inhalt meines Inputs beziehe ich aus meiner persönlichen Erfahrung und den Gesprächen in der Angehörigen-Gruppe Zürich, die hauptsächlich aus dem weiblichen Teil von Paaren besteht. Wir haben einen Ehemann unter uns und ab und zu eine Tochter.
Den Film Happy-Hour habe ich, wie wohl einige von euch, auch gesehen. Ich werde darauf zurückkommen.
Mein Beitritt zur Angehörigen Gruppe vor rund drei Jahren erfolgte zu einer Zeit des Übergangs der Krankheit meines Mannes zwischen dem sogenannten Honey moon und stärker werdenden Symptomen. Er hatte sich damals entschieden, seine Krankheit öffentlich zu machen, also Familie und Freunde zu informieren. Jetzt gerade sind wir an einem Punkt angelangt, an dem wir externe Unterstützung beiziehen. Abends und auch tagsüber lasse ich ihn nicht mehr gern länger als eine Stunde allein. Unsere drei erwachsenen Töchter vertreten mich oft, sind aber in ihrem eigenen Alltag eingebunden und nicht immer verfügbar.
1. Parkinson ist nicht gleich Parkinson
Sehr unterschiedliche Krankheits-Verläufe, schon innerhalb unserer kleinen Gruppe. Unterschiede im Alter und der Dauer der Krankheit, Unterschiede aber auch, ob jemand eine Tiefe Hirnstimulation gemacht hat oder nicht. Anfangs fiel es mir schwer Partnerinnen von weiter fortgeschrittenen Parkinson-Kranken zuzuhören. Einiges wollte - und will – ich lieber nicht wissen.
So wie es unterschiedliche Verläufe der Krankheit gibt, gehen die Paare, Frauen und Männer unterschiedlich mit der Situation um. Einige wissen viel über die Krankheit, informieren sich regelmässig und breit. Einige werden stark einbezogen in alle medizinischen Belange, andere sind bei Arztbesuchen nicht mit dabei.
Auch das Ausmass an externer Unterstützung oder Anpassung der Wohnform ist sehr unterschiedlich. Mir reicht es, jeweils im Moment zu wissen, was nötig und möglich ist, die Gespräche in der Gruppe geben mir Ideen und Handlungsmöglichkeiten.
Neben den unterschiedlichen Verläufen und natürlich auch den unterschiedlichen Beziehungen gibt es aber auch Gemeinsamkeiten. Eine ganz grosse ist die Gewissheit, mit einem Partner, einer Partnerin zu leben, die eine fortschreitende unheilbare Krankheit hat. Das bringt einen Lernprozess mit sich – und es dauert unterschiedlich lang bis zur Akzeptanz. Unaufhaltsam aber verändert sich unsere Rolle in der Beziehung, übernehmen wir einen grösseren Anteil an der Bewältigung des Alltags, bis wir „Tätschmeister“ sind, wie es ein Ehemann bezeichnete.
Wie das Paar im Input-Film suchen viele Betroffene, aber auch Angehörige oder Paare gemeinsam Beratung im Umgang mit diesem anspruchsvollen Lebensabschnitt.
2. Die Lebensqualität der Angehörigen verändert sich mit jener der Betroffenen
Die Lebensschiffchen von uns Angehörigen sind mit jenen der Parkinson-Betroffenen eng verbunden. Wir können nicht sagen, wir sitzen im gleichen Boot – aber in zwei eng verbundenen Booten: Unsere Wahrnehmung ist nicht beeinträchtigt – aber wir werden anders wahrgenommen – als zu laut, zu leise, zu schnell, zu fordernd, zu ungeduldig, im Falle einer Halluzination vielleicht sogar als eine andere Person. Wir geraten nicht in eine Kleiderdurcheinander – aber wir helfen verdrehte Jeans zu entwirren oder Schuhe zu binden. Wir können uns noch schnell bewegen – passen aber unsere Geschwindigkeit der Partnerin, dem Partner an. Und sind manchmal doch zu langsam, um einen Sturz zu verhindern. Auf jeden Fall verändert sich mit der Diagnose auch das Leben der Angehörigen.
Anfangs ändert sich äusserlich wenig, aber innerlich tauchen Ängste auf?
Können wir am selben Ort wohnen bleiben oder brauchen wir eine rollstuhlgängige Wohnung? Können wir die langen Reisen, die grossen Projekte, die wir haben, noch durchführen? Wird der Liebste, die Liebste dement werden? Die Stimme verlieren? Unbeweglich werden? Die Persönlichkeit verändern? Immer zittern, so dass auswärts essen unmöglich wird? Unter Inkontinenz leiden, nicht mehr gut sehen, Halluzinationen bekommen, sich operieren lassen?
Die Ängste der Kinder: Werden der Vater, die Mutter sie eines Tages nicht mehr erkennen? Und leider immer auch Schuldgefühle der Kinder, weil sie nicht immer da sein können.
Stete Gewöhnung an einen veränderten Alltag
Wir Angehörigen übernehmen immer mehr – im Haushalt, in der Betreuung, in der medizinischen Begleitung, in der Administration. Wer allein lebt, braucht Hilfe von der Spitex, von Haushalthilfen, muss eventuell ins Heim ziehen. Organisation des gemeinsamen sozialen Lebens. Manchmal langsam und schleichend, manchmal mit einem kräftigen Holpern nimmt die Belastung zu, wir gewöhnen uns daran, Unterstützung zu suchen und anzunehmen. Von der Familie, aber auch von Aussenstehenden. Die Zeiten, während deren die Parkis allein bleiben können nehmen ab oder werden unberechenbarer. Ein Infekt, ein Sturz, ein Stress und alles ist anders. Wir brauchen immer mehr Zeit für den Alltag, wir lernen stetig Neues, medizinisch, pflegerisch. Wir leben alle mit Überraschungen: Stürzen, Infekte, die zu einer Verschlechterung der Situation führen, Nebenwirkungen der Medikamente, der Krankheit.
Lebensqualität, die bleibt und sich entwickelt
Jedes Paar lebt das neue Leben in seinem eigenen Rhythmus weiter, teilt gemeinsame Interessen und Freuden so lange und so gut es geht. Musik, Kunst, Reisen, Bewegung, Freunde und Familie treffen, Erinnerungen auffrischen, gemeinsame und je einzeln tut gut. „Was noch gut läuft, löst in mir Dankbarkeit aus“, sagt eine Angehörige. „Ich habe gelernt, das Glück aus den kleinen Augenblicken zu ziehen, blühende Bäume mehr zu geniessen“. Das Glück, sich noch einem Hobby oder sogar einer Arbeit widmen zu können. Im beschränkteren Radius gibt es auch Freude und eine Ruhe, die im früher hektischen Alltag oft zu kurz kam. „Du bist eine Kanone“ oder „das ist perfekt“ für angezogene Stützstrümpfe oder ein Rührei mit Salat freuen mich und entschädigen mich für die Mehrarbeit im Haushalt. Dankbarkeit, wenn mein Mann mit mir ein Konzert besucht, das ihm eigentlich musikalisch gar nicht entspricht.
Verzicht und Streit
Auf vieles müssen wir Angehörige verzichten: Vor allem auf lieb gewordene gemeinsame Gewohnheiten wie Velotouren oder andere gemeinsame Sportarten. Wir sind langsam und schleichend immer mehr verantwortlich geworden für Medikamente, Termine, sozial Leben. Und wir sind PfadfinderInnen: Allzeit hilfsbereit. Solche Belastungen können zu Gereiztheit und auch Streit führen. Wir gelangen bei aller Liebe und gelernter oder angeborener Geduld an unsere Grenzen. Alle. Dazu kommen dieselben Konflikte, die Paare ja immer haben, nur lassen sie sich schlechter austragen, weil wie wir ja wissen, Stress für Parkinson-Betroffene ja Gift ist. Kommt also noch das schlechte Gewissen dazu, wenn Überforderung oder Frustration sich Luft gemacht hat. Zu viele Ansprüche prallen manchmal aufeinander, Grenzen des einen oder der anderen werden nicht respektiert.
Was hilft?
Der Austausch in der Angehörigen Gruppe. Auszeit für sich selbst nehmen. Aber auch viel von dem machen, was einem als Paar gut tut. Bei uns sind das oft Spaziergänge. Und Anerkennung für das, was ich mache, manchmal ein „Danke“, manchmal ein Witz und ganz sicher eine Liebeserklärung. Wir wissen beide: Wir sind ein Team, sind aufeinander angewiesen und sehr oft zusammen, viel mehr als früher. Wir leben im Moment, geniessen die gemeinsame Zeit, essen in „unseren alten“ Beizen.
Wir haben immer wieder gestritten als Paar, aber wir haben Glück, denn das hat uns auch dazu gezwungen, immer über alles zu sprechen. Und das können wir auch jetzt. Wir sprechen auch über den Schmerz des zunehmenden Verzichts und des immer kleiner werdenden Radius. Über die schwierige Situation, abhängig zu sein von der einen Seite und verantwortlich zu sein von der andern. Und mit diesem Wunsch aus der Gruppe möchte ich aufhören: „Ich glaube das Wichtigste für mich wäre das Reden und eine Offenheit.
Bedürfnisse, Gedankenaustausch auf beiden Seiten wäre für mich toll. Man kann dann nachempfinden, was der andere fühlt».
Möchten auch Sie sich einer Selbsthilfegruppe anschliessen? Hier finden Sie alle Adressen.
Mai 2024
Fasnacht feiern trotz und mit Parkinson!
Unter dem Motto "mir fiire " findet dieses Wochenende die Lysser Fasnacht 2024 statt!
Als ehemalige Kulturschocker und Zunftmitglied liebe ich die Fasnacht.
Aber wie zeigt man sich in der Öffentlichkeit, wenn man Parkinson hat?
Wenn man von allen gesehen wird und weiss, dass alle sehen, dass etwas nicht mit mir stimmt?
Wenn ich nicht mehr richtig gehen kann und torkle, auch wenn ich keinen Alkohol getrunken habe?
Ich beschloss, das Ganze mit Humor zu nehmen, möbelte mein Rollator mit LED Lichter auf und verkleidete mich als alte, schrullige Frau. Konnte so Leute anrempeln und schräg sein!
Viele Leute, die mich von früher kennen, sprachen mich an.
Geht es dir gut? Geht es dir wirklich gut?
Und auch wenn mich einige ungläubig anschauten, antwortete ich
JA!
Es geht mir gut! Ich definiere mein Glücklichsein nicht damit, wie ich gehen oder stehen kann.
Es gab viele Highlights gestern Abend:
Die Bekannte, die sagte, ich habe ihr Kraft geschenkt, als sie nach ihrem Schlaganfall im Krankenhaus lag,
Der Rochus, den ich auf meinem Rollator rumkutschieren durfte.
Ganz oft gelacht und Leute umarmt!
Stolz meiner Lia Stauffer beim Trompete spielen mit der Guggenmusig Kulturschocker Lyss zuzuhören,
Stolz und gerührt, dass sich Fay Stauffer mir vor allen einen Kuss auf die Stirn drückt und allen sagt, dass ich ihre Mam bin,
Ich danke allen für den herrlichen Abend.
Und nochmal: es geht mit gut!
Es geht mir gut, weil ich aus Momenten wie gestern, Kraft schöpfe und Mut tanke.
Um weiterhin mein Leben zu geniessen, mit Parkinson!!
Februar 2024
©2024 Parkinson Schweiz