Prof. Dr. med. André Reitz vom Kontinenz-Zentrum der Klinik Hirslanden in Zürich erklärt die Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten.
Warum leiden Parkinsonbetroffene häufig an Blasenproblemen?
Bei Parkinson kommt es zu Störungen des Dopaminstoffwechsels im zentralen Nervensystem. Diese wirken sich nicht nur auf die Bewegung aus, sondern auch auf die Steuerung des vegetativen Nervensystems, das die Blasenfunktion kontrolliert. Etwa zwei Drittel der Betroffenen entwickeln im Krankheitsverlauf Blasenprobleme. Häufig tritt eine überaktive Blase auf, bei der der Harndrang nicht unterdrückt werden kann. Auch Entleerungsstörungen können vorkommen, wenn Beckenboden- und Blasenmuskulatur nicht mehr koordiniert zusammenarbeiten.
Welche Symptome könnten Anzeichen für eine Blasenstörung sein?
Typische Anzeichen sind häufiges Wasserlassen, starker Harndrang und Inkontinenz. Betroffene müssen oft nachts aufstehen, um zur Toilette zu gehen. Manche haben Schwierigkeiten, den Urinstrahl zu starten oder die Blase vollständig zu entleeren. Diese Symptome können die Lebensqualität erheblich beeinträchtigen. Wichtig ist, dass Betroffene offen darüber sprechen und sich nicht aus Scham zurückziehen.
Wann ist eine Abklärung sinnvoll?
Eine frühzeitige Abklärung ist sehr wichtig, idealerweise schon im Frühstadium der Parkinsonerkrankung. Spätestens wenn erste Blasenbeschwerden auftreten, sollte man einen Neurourologen aufsuchen. Je früher wir die Probleme erkennen und behandeln, desto besser können wir den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen und die Lebensqualität erhalten. Zögern Sie also nicht, Beschwerden anzusprechen – wir sind dafür da, Ihnen zu helfen.
Wie läuft die Abklärung einer Diagnose ab?
Zunächst führen wir ein ausführliches Gespräch über die Beschwerden und die Krankengeschichte. Dann erfolgt eine körperliche Untersuchung. Wichtig ist eine urodynamische Messung, bei der wir die Blasenfunktion genau untersuchen. Dabei messen wir den Druck in der Blase und die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur. Oft machen wir auch eine Ultraschalluntersuchung. So können wir die Art der Blasenstörung genau bestimmen und die optimale Behandlung planen.
Wie sehen die Behandlungsmöglichkeiten aus?
Die Therapie richten wir individuell auf die Patientin, den Patienten aus. Bei einer überaktiven Blase helfen oft Anticholinergika oder der Wirkstoff Mirabegron. Neue Optionen sind Botox-Injektionen in die Blase oder die sakrale Neuromodulation. Bei Entleerungsstörungen kann es sinnvoll sein, wenn Betroffene erlernen, sich selbst einen Katheter durch die Harnröhre in die Blase einzuführen. Wichtig ist, die Blasentherapie mit der Parkinsonbehandlung abzustimmen. Auch Beckenbodentraining und Verhaltenstherapie können sehr wirksam sein. Unser Ziel ist es, die Beschwerden zu lindern und die Lebensqualität zu verbessern.
Was können Betroffene präventiv tun?
Regelmässige Beckenbodenübungen sind sehr empfehlenswert. Auch eine gesunde Lebensweise mit ausreichend Bewegung und ausgewogener Ernährung unterstützt die Blasenfunktion. Vermeiden Sie übermässigen Koffein- und Alkoholkonsum. Trinken Sie über den Tag verteilt ausreichend Wasser. Führen Sie ein Blasentagebuch (Miktionstagebuch), um Veränderungen frühzeitig zu erkennen. Darin werden (meist für drei Tage) die Trinkmenge und die entleerte Harnmenge gemessen und mit der jeweiligen Uhrzeit notiert. Auch ein unfreiwilliger Harnverlust wird erfasst. Und scheuen Sie sich nicht, bei Problemen fachlichen Rat einzuholen. Prof. Dr. med. André Reitz, 2024
Prof. Dr. med. André Reitz
Facharzt für Neurourologie und leitet das Kontinenz-Zentrum in der Klinik Hirslanden in Zürich.
Er ist spezialisiert auf die Abklärung und Behandlung von Funktionsstörungen des Harntrakts im Zusammenhang mit einer Erkrankung des Nervensystems sowie Blasenproblemen bei Parkinsonbetroffenen.
Fachreferat des Informationstages Rehaklinik Zihlschlacht vom 6. Oktober 2023.
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