Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist lange ausschliesslich im Wachzustand durchgeführt worden. Dank Fortschritten in der Bildgebung wird der Eingriff inzwischen auch unter Vollnarkose angeboten.
Die Tiefe Hirnstimulation (THS) ist seit Jahren eine wirkungsvolle Therapie für Parkinsonbetroffene. Sie wird eingesetzt, um störende Wirkfluktuationen (bei nachlassender Wirkung der eingesetzten Medikamente) und therapieresistentes Zittern zu vermindern. Dazu werden in bestimmte Hirnregionen, meist im subthalamischen Kern, Elektroden implantiert. Diese geben elektrische Impulse ab und können so gewisse Hirnfunktionen positiv beeinflussen.
Für ein erfolgreiches Behandlungsergebnis ist es entscheidend, dass die Elektroden optimal platziert werden. Aus diesem Grund wurde die Operation bis anhin vorzugsweise im Wachzustand durchgeführt. Das ermöglicht es, die Position der Elektroden während des Eingriffs zu prüfen, damit sie den gewünschten Effekt haben und Nebenwirkungen minimiert werden können.
Für Patientinnen und Patienten ist dieses Vorgehen im Wachzustand jedoch anstrengend und unangenehm. Während der Operation kann es zu Angstzuständen oder auch zu akuten Panikattacken kommen. Die Tests, um die Elektroden zu prüfen, sind zeitaufwendig und verlängern die Dauer des Eingriffs. Das kann auch zu höheren Kosten führen.
Dank Fortschritten bei der Bildgebung ist es inzwischen möglich, THS-Eingriffe unter Vollnarkose durchzuführen. Die Operation wird auch als «THS im Schlaf» bezeichnet. Die Vorteile sind augenfällig: mehr Komfort für die Patientinnen und Patienten und womöglich gleichwertige Ergebnisse bei geringeren Kosten.
Ob THS-Eingriffe besser im Schlaf oder im Wachzustand vorgenommen werden sollen, wird unter Fachpersonen seit mehreren Jahren kontrovers diskutiert. Auf Initiative der Schweizerischen Gesellschaft für Bewegungsstörungen (SMDS) haben Fachleute von zwei grossen Schweizer THS-Zentren die Argumente formuliert, die aus ihrer Sicht für respektive gegen eine Bevorzugung der Operation unter Narkose sprechen. Die beiden kontroversen Artikel sind kürzlich im Fachmagazin Swiss Medical Weekly erschienen, zusammen mit einem einordnenden Kommentar der SMDS.
Die Schweizerische Gesellschaft für Bewegungsstörungen betrachtet die Option der THS im Schlaf als einen wichtigen Fortschritt. Womöglich reicht aber eine nur auf der Genauigkeit der Bildgebung basierende anatomische Präzision, wie dies bei der THS im Schlaf der Fall ist, nicht aus, um in jedem Fall ein optimales Behandlungsergebnis zu erzielen. Der THS-Eingriff kann sowohl im Schlaf als auch im Wachzustand auf verschiedene Weisen mit Bildgebung und physiologischen Messungen (um die Signale des Gehirns darzustellen) kombiniert werden. Weil unterschiedliche Methoden eingesetzt und miteinander kombiniert werden, macht dies einen direkten Vergleich anhand der klinischen Vor- und Nachteile oft schwierig.
Eine 2021 erschienene Studie hat gezeigt, dass THS-Eingriffe im Wachzustand und im Schlaf hinsichtlich Ergebnissen und Sicherheit gleichwertig sind. Die Methode dieser Untersuchung lässt allerdings noch keine abschliessende Beurteilung zu. Dazu müssen die Ergebnisse laufender grosser Studien abgewartet werden, für die beide Ansätze unter ähnlichen Bedingungen geprüft werden.
Die SMDS ist der Ansicht, dass die Entscheidung, ob Parkinsonpatientinnen und -patienten im Wachzustand oder im Schlaf operiert werden, jeweils individuell erfolgen muss. Dabei ist der Wunsch der Patientin oder des Patienten ebenso zu berücksichtigen wie die Präferenz und die Erfahrung des neurologischen und neurochirurgischen Behandlungsteams.
Die Operation im Wachzustand ist derzeit allgemein für jüngere und weniger fragile Patientinnen und Patienten zu empfehlen, die während des Eingriffs gut mitarbeiten können. Dabei müssen Off- Phasen, wenn während der Operation keine dopaminerge Medikation möglich ist, möglichst kurz und die Beeinträchtigung für die Betroffenen akzeptabel sein.
Älteren und schwächeren Patientinnen und Patienten sollte dagegen eine THS im Schlaf angeboten werden. Das gleiche gilt für Betroffene, bei denen schwere Off- Phasen mit schmerzhaften Muskelkrämpfen oder belastenden nicht-motorischen Symptomen wie Angst oder Depression verbunden sein können. Insgesamt ist die THS im Schlaf inzwischen gut etabliert, und es ist zu erwarten, dass sie von den meisten dieser Parkinsonpatientinnen und -patienten bevorzugt wird. Dennoch empfiehlt die SMDS, dass Kliniken an der Expertise für THS im Wachzustand festhalten. Dies so lange, bis der weitere technische Fortschritt zu besseren Ergebnissen bei THS im Schlaf als im Wachzustand führt, und zwar möglichst unabhängig von den Fähigkeiten und Erfahrungen der Behandlungsteams. Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, Chefarzt und Leiter der Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation, Luzerner Kantonsspital, Präsident des Fachlichen Beirats Parkinson Schweiz und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Bewegungsstörungen.
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter, 2024
Prof. Dr. med. Stephan Bohlhalter
Chefarzt und Leiter der Klinik für Neurologie und Neurorehabilitation, Luzerner Kantonsspital, Präsident des Fachlichen Beirats Parkinson Schweiz und Vorstandsmitglied der Schweizerischen Gesellschaft für Bewegungsstörungen.
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